2020
Erfreulicherweise lief in Lemong’o in den letzten Monaten alles in relativ ruhigen Bahnen. In Philip, dem Schulleiter der Lemong’o Primary School, habe ich einen zuverlässigen Partner gefunden, der sich gewissenhaft nicht nur um seine Grundschüler, sondern um alle kümmert, die wir unterstützen.
Als ich im Februar vor Ort war, konnte ich lediglich die Grundschüler und ihre Eltern treffen, da das erste Term angefangen hatte und die Internatsschüler schon in ihren diversen Boarding Schools waren. Somit hatte ich Zeit, mich mit den einzelnen Kindern zu beschäftigen.
Hier mal ein Wort zum Alter der Kinder: Weder die Lehrer noch die Eltern noch die Kinder kennen ihr Geburtsdatum. Ich habe schon mehrmals nachgefragt und unterschiedliche Antworten bekommen. Ich kenne die meisten Kinder schon seit Jahren und wundere mich oft, dass manche kaum wachsen.
Anders Risie Lolepo: Er geht seit einem Jahr in das teure Reto Internat, wo er Essen bekommt, bei dem seine Allergie berücksichtigt wird. So hat er einen richtigen Schuss gemacht und musste neue Schulkleidung bekommen. Meine Freundin Margit, die ihn im August noch einmal zu einer Nachuntersuchung im Krankenhaus in Mombasa begleitete, hatte mich schon darauf vorbereitet. Es geht ihm körperlich richtig gut. In der Schule ist es ihm leider nicht gelungen, den Anschluss an die Klasse zu finden, was aber nicht verwunderlich ist, da er monatelang die Schule versäumt hat aufgrund seiner Ohnmachtsanfälle. Er wiederholt jetzt die fünfte Klasse, das sollte ihm helfen.
Sein Freund Kasaine Kashingo macht sich sehr gut in Reto. Leider konnte ich die beiden Jungs nicht treffen, aber die Eltern und Lehrer Philip berichteten. Auch für Kasaine mussten neue Hosen angefertigt werden, weil die alten zu klein waren. Ich sehe das als positives Zeichen. Das Essen im Internat ist offenbar ausreichend und bekömmlich.
Auch die Kinder, die in Olmoti im Internat sind, konnte ich diesmal leider nicht treffen. Eine von ihnen hat den Sprung in die nächste Stufe geschafft: Naipanti Tantaine. Sie hat im Oktober 2019 einen guten Abschluss der 8. Klasse erreicht und darf jetzt in die Secondary School gehen. Herzlichen Glückwunsch, Naipanti!
Im Internat in Olmoti sind jetzt noch Musenyi Tulito, Leshan Matiko, Nkaisi Parkori, Rose Kipitai und Kurat Tantaine in der 8. Klasse, Naimutie Moses in der 7. Klasse. Für die Achtklässler ist jetzt Endspurt. Das Ergebnis der 8. Klasse entscheidet darüber, welche Möglichkeiten den Kindern anschließend offen stehen. Ich habe den Eindruck, dass sich alle Kinder bzw. Jugendlichen wünschen, in der Secondary School weiter lernen zu dürfen, aber das ist nicht unbedingt für jeden der richtige Weg. Um in einer staatlichen Secondary School aufgenommen zu werden, muss man einen gewissen Notendurchschnitt erreichen, und ich denke, dass ein guter Abschluss in einem handwerklichen Beruf für das weitere Leben zielführender ist als ein schlechtes Abitur. Ich habe vor, Ende Oktober nach Kenya zu reisen, um die Möglichkeiten auszuloten und diese wichtigen Entscheidungen gemeinsam mit Kindern, Eltern und Lehrern zu treffen.
Zuletzt will ich noch Mary Poni erwähnen, die junge Frau, welche die Ausbildung in „Medical Care“ macht. Das ist eine Art Studium, das zum Beruf der Krankenschwester führt. Sie hat das erste Jahr erfolgreich abgeschlossen, weitere 18 Monate Ausbildung liegen vor ihr.
Zu Lemong’o allgemein: Die Wasserproblematik hat sich etwas entschärft, da es in den letzten 6 Monaten viel mehr geregnet hat als in den Jahren zuvor. Gerade in und um den Amboseli waren die Auswirkungen teilweise katastrophal und haben alle Aktivitäten zeitweise zum Erliegen gebracht. Der Inhaber einer nahe gelegenen Lodge, mit dem ich die prekäre Trinkwasserproblematik ausführlich erörtert hatte, hat einen Filter gekauft und an der Schule installiert, sodass den Kindern unter den derzeitigen Bedingungen sauberes Trinkwasser zur Verfügung steht.
Ich habe umfangreiche Erkundigungen eingezogen bezüglich dem Bau von Brunnen. Verschiedene zuverlässige Quellen haben mich aufgrund eigener Erfahrungen vor dem Projekt gewarnt. Es kann passieren, dass die Kosten das Zehnfache des Kostenvoranschlags betragen. Wenn der Brunnen gebohrt ist, muss noch eine entsprechende Pumpe installiert werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kosten im 5-stelligen Euro-Bereich liegen, ist sehr groß. Hinzu kommt, dass anschließend weitere Kosten für den Betrieb und evtl. Reparaturen der Pumpe anfallen. Der Schulleiter Philip hat mir berichtet, dass im April von staatlicher Seite ein Brunnenprojekt für die Schule geprüft würde. Bis ich das Ergebnis erfahre, werde ich meine eigene Idee diesbezüglich erst mal auf Eis legen, zumal eine Finanzierung derzeit utopisch erscheint.
Eine gute und erleichternde Information möchte ich noch gerne weitergeben: Das Thema Beschneidung/Genitalverstümmelung von Mädchen (FGM), die im afrikanischen Kulturkreis und schon immer bei den Massai üblich war, lag mir schon lange auf der Seele. Zwar wurde mir mehrfach versichert, dass das nicht mehr stattfinde, aber es ist mir auch klar, dass das niemand zugeben würde, da es gesetzlich verboten ist. Nun wurde mir aber berichtet, dass das Dorf jetzt einen weiblichen Chief hat, die FGM strikt ablehnt und strengstens verfolgt und ahndet. Da ich afrikanische Frauenpower kenne, bin ich dadurch jetzt beruhigt.
Das ist soweit alles, was ich derzeit von Lemong’o berichten kann. Das Neueste ist noch, dass zeitgleich mit Deutschland auch in Kenya alle Schulen geschlossen wurden wegen Corona. Das bedeutet, dass die Kinder, die sonst in der Schule verköstigt werden (auch für die Lemong’o Kinder sponsern wir zwei Mahlzeiten am Tag), von der Familie mit Essen versorgt werden müssen. Davon sind einige überfordert. Ich habe für die Allerbedürftigsten ein Überbrückungsgeld überwiesen und hoffe, dass wir alle in Afrika und in Deutschland bald wieder zu einer Normalität übergehen können.
Stand März 2020