Das Jahr 2021 stand wieder im Zeichen von Corona.
Für Kenya hat das vor allem wirtschaftliche Auswirkungen. Der Tourismus, eine Haupteinnahmequelle sowohl für das Land als auch für unser Dorf Lemong’o, bewegt sich immer noch nahe am Nullpunkt.
Die Lage der Menschen in Kenya ist dramatisch. Nicht durch das Virus, das hat sich in Afrika wider Erwarten eher schwach ausgebreitet. Die Außentemperaturen sind höher als bei uns, das Durchschnittsalter wesentlich niedriger, die Menschen leben weitgehend außerhalb geschlossener Räume und haben ein deutlich besser trainiertes Immunsystem als wir in Mitteleuropa. Das sind meine Mutmaßungen, und ich hoffe inständig, dass es so bleibt, denn das Gesundheitswesen wäre einem Ansturm von Kranken, wie wir ihn erlebt haben, in keiner Weise gewachsen. Es ist der Wegfall jeglicher Einnahmequellen, der die Menschen in diese verzweifelte Lage gebracht hat.
Es war tatsächlich unsere Hauptaufgabe, den Hunger zu bekämpfen, die ca. 800 Menschen im Dorf am Leben zu erhalten, indem wir dafür gesorgt haben, dass sie genügend zu essen bekommen. Jeden Monat haben wir eine Lieferung mit den Grundnahrungsmitteln zusammengestellt bestehend aus 1500 kg Mais, 360 kg Bohnen und Öl zum Kochen. Zu besonderen Gelegenheiten gab es dann noch Reis, Weizenmehl, Salz, Zucker und Tee. Auch Seife haben wir regelmäßig mitgeschickt.
Die Lemong’o Primary School beliefern wir ebenfalls mit Lebensmittel, so dass die 250 Schüler jeden Tag zweimal etwas Warmes in den Bauch bekommen. Hier von Mahlzeiten zu sprechen, wäre etwas hoch gegriffen. Es handelt sich um Ugali, das Nationalgericht in Ostafrika, ein steifer Maisbrei, manchmal ergänzt durch einige Bohnen, den erstaunlicherweise alle sehr gerne essen und der zumindest satt macht. Von gesunder Ernährung nach unseren Maßstäben kann da nicht die Rede sein, aber die Massai haben diesbezüglich sowieso ganz andere Vorstellungen. Momentan geht es primär darum, den Hunger zu bekämpfen.
Unser größter Erfolg war die Installation einer Wasseraufbereitungsanlage. Durch eine Fernsehsendung wurde ein engagiertes Mitglied auf ein Startup-Unternehmen aufmerksam, das in Deutschland robuste Filteranlagen für den Einsatz in Entwicklungsländern konstruiert. Ich habe kurz entschlossen eine solche Anlage für Lemong’o gekauft. Die Dorfbewohner von Lemong’o holten bisher ihr Trinkwasser aus einer Wasserstelle außerhalb des Dorfes, die auch von Wildtieren benutzt und zum Tränken des Viehs verwendet wurde. Dementsprechend war die Qualität beschaffen und daraus resultierende Krankheiten an der Tagesordnung. Nach einer langen Reise mit einigen Hindernissen wurde die Anlage dann im August endgültig in einem eigens dafür konstruierten Wasserhäuschen in Betrieb genommen. Der Dorfälteste hat uns bestätigt, dass es seither im Dort keine Cholera und keine Magen-Darm-Erkrankungen mehr gibt.
Der Schulbetrieb hat sich im Lauf des Jahres wieder eingependelt. Die Achtklässler haben im März ihren Abschluss gemacht und wurden mit Hilfe von Lehrer Philip, der mir eine große und zuverlässige Stütze ist, je nach ihren Wünschen und Fähigkeiten in verschiedenen weiterbildenden Internaten untergebracht. Neu in unser Hilfsprogramm aufgenommen haben wir zwei hochbegabte junge Männer, die unter schwierigsten Bedingungen einen hervorragenden Hauptschulabschluss gemacht haben. Die Eltern waren nicht in der Lage, eine weiterführende Schule zu finanzieren. Die Kosten sind so hoch, dass eine normale Familie sie nicht stemmen kann, nicht einmal für ein einziges Kind. Sie sind sehr glücklich darüber, dass sie jetzt die Möglichkeit haben, ihrem Talent entsprechend weiter zu lernen.
Zwei Mädchen sind aus unserem Programm ausgeschieden, eine hat geheiratet, die andere wurde schwanger, was in Kenya den sofortigen Ausschluss von der Schule zur Folge hat. Dafür unterstützen wir jetzt ein kleines Mädchen aus einer schwach situierten Familie und den kleinen Sohn einer alleinerziehenden Mutter.
Nicht in allen meiner grundlegenden Anliegen bin ich weitergekommen.
Ich wollte vor allem die Mädchen fördern, weil die Frau die Stütze der afrikanischen Familie, Gesellschaft und Wirtschaft ist und bei Weitem nicht die Anerkennung und Wertschätzung erhält, die sie verdient. Es gibt Ausnahmen, aber leider war ich bisher mit der Förderung der Mädchen nicht so erfolgreich wie bei den Jungen.
Mein Ziel, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, um die Familien zumindest unabhängig von Lebensmittelspenden zu machen, ist in weite Ferne gerückt. Alle Projekte, die bisher angedacht waren, versprechen nicht den gewünschten Erfolg, solange die Einheimischen kein Geld haben und keine Touristen ins Land kommen.
Beide Ziele werde ich weiterhin im Rahmen des Möglichen verfolgen. Es wird mir aber immer mehr bewusst, dass auch die Traditionen, denen die Massai mehr als andere Stämme seit Jahrhunderten verhaftet sind, ihre Berechtigung haben. Alle Maßnahmen, die von unserer Seite kommen, müssen im Einklang mit den Wünschen der Menschen stehen, die – sicher nicht freiwillig – auf unsere Hilfe angewiesen sind.
Ich habe bei meinem letzten Besuch in Lemong’o im Oktober 2021 sehr viel Wertschätzung und Dankbarkeit erfahren und sehe darin eine Bestätigung für unser Zusammenwirken auf Augenhöhe. Die Kinder und Jugendlichen bekamen von uns Papier und Stifte und sollten eigentlich alle zusammen ein paar kleine Botschaften an Euch aufschreiben. Das hat so nicht geklappt, aber einige haben in der kurzen Zeit richtige Briefe geschrieben. Zwei Beispiele füge ich Euch bei. Mein Name steht stellvertretend für Euch alle.
Ich bin stolz auf das, was wir mit Eurer Hilfe für die Menschen in Lemong’o bewirken konnten, und ich danke Euch dafür von ganzem Herzen.