Diesmal gibt es besondere Ereignisse, über die ich Euch berichten kann:
Am 26. August lud die hiesige Musikgruppe „Irish Voices“ ein zu einem Benefiz-Konzert mit traditioneller irischer Folkmusik. Zu unserer aller Freude war der Ansturm groß, denn Empfänger des gesamten Erlöses war Lemong‘o. Wir danken Siggi Winkler und seinen Mitstreiterinnen ganz herzlich.
Seit langem beschäftigt uns der Gedanke, wie wir den Menschen in Lemong’o zu besserer Selbstversorgung und mehr Unabhängigkeit von unserer Unterstützung verhelfen könnten. Ganz zufällig ging in einem Gespräch hierzu ein Türchen auf: Ein Kontakt zu einem jungen Mann in Nairobi namens Stichez, der schon mehrmals mit Design Thinking gearbeitet hat, einem von SAP entwickelten Ansatz, um komplexe Problemstellungen aus allen Lebensbereichen zu lösen.
In Rekordzeit konzipierte er eine „Innovation Week“ für Lemong’o.
Die Familien, Jung und Alt, Frauen und Männer, sollten in einem Brainstorming verschiedene Punkte sammeln. Probleme, die ihnen unter den Nägeln brennen, Dinge, die sie gut können und gerne tun oder die sie sich wünschen.
Die vorgegebenen Themen waren
Tourism (Tourismus)
Agriculture (Landwirtschaft)
Women Empowerment (Stärkung von Frauen)
Education (Erziehung)
Zunächst wurden 10 ausgewählte Frauen und Männer aus dem Dorf zu Co-Trainern ausgebildet. Hier auf dem Bild mit den aus Nairobi angereisten Senior-Trainern und Lehrer Philip, der sich im Vorfeld um die Organisation gekümmert hat.
Danach erfolgte die Bearbeitung der Themen durch alle Interessierten in Kleingruppen. Alle Gruppen haben das Thema Landwirtschaft gewählt, das offenbar dringender ist als alles andere.
Mit Feuereifer wurde diskutiert, gezeichnet und gebastelt.
Die Stimmung war hervorragend, Stichez baute mit seiner sprühenden und motivierenden Energie Lernspiele ein, die allen großen Spaß machten und die Zusammenarbeit förderten.
Wir haben für eine besondere Verpflegung gesorgt. Drei Ziegen wurden geschlachtet. Es fiel mir zwar schwer, dem zuzustimmen, aber wenn ich an unsere Nutztierhaltung in Europa denke, dann schmelzen meine Argumente dahin. Die Massai essen Fleisch nur anlässlich von Festen. So war die Begeisterung groß über ein außerplanmäßiges Festessen.
Am letzten Tag stellten die Gruppen das Ergebnis ihrer Arbeit allen Beteiligten vor.
Teil der Jury war die Vertreterin einer Bank, die vorher über Businesspläne und Finanzierungsmöglichkeiten gesprochen hatte, und eine Vertreterin der Regierung.
Die beiden besten Vorschläge wurden prämiert.
Am Ende erhielten alle Teilnehmer eine Urkunde.
Leider kenne ich die Ergebnisse des Workshops nur im Groben. Die die meisten Teilnehmer kein oder nur sehr wenig Englisch sprechen, erfolgte die Kommunikation in Suaheli und wurde von Lehrer Philip bei Bedarf in Maa (die Sprache der Massai) übersetzt.
Offenbar stellen die Angriffe von Wildtieren (der Amboseli Park ist nur wenige Kilometer entfernt) ein großes Problem dar. Um Elefanten fernzuhalten, wurde die Idee aufgegriffen, am äußeren Ring der Familienbehausung Bienenstöcken anzubringen. Diese Methode gilt als erprobt.
Grundsätzlich sind die Massai ein Hirtenvolk und keine Bauern, aber aufgrund der Nahrungsmittelknappheit besteht doch der Wunsch, etwas anzubauen. Hier wurde von Stichez der Vorschlag eingebracht, Hydroponic Farming anzuwenden. Dabei werden Feldfrüchte nicht in Erde, sondern in Nährlösungen gezüchtet und benötigen weniger Raum, können auch vertikal angebaut werden. Das vulkanische Gestein, das um den Kilimanjaro, also auch um Lemong‘o zu finden ist, wäre dafür eine gute Basis. Eine Gruppe von Frauen aus Lemong’o soll dahingehend in Nairobi geschult werden. Die Kosten dafür werden wir selbstverständlich übernehmen.
Darüber hinaus muss ich es den Teilnehmern des Workshops überlassen, was sie aus den erarbeiteten Lösungsansätzen machen. Es sind erwachsene und mündige Menschen. Wenn sie unsere Hilfe dazu benötigen, werden sie sich melden.
Die Dorfbewohner haben akzeptiert, dass wir unsere regelmäßigen Lebensmittellieferungen einstellen. Abgesehen davon, dass wir diese hohe monatliche Ausgabe auf Dauer nicht mehr hätten stemmen können, sehe ich es auch als eine Frage der Würde, dass Menschen sich selbst versorgen. Die Bewohner von Lemong’o wissen, dass wir ihnen im Notfall zur Seite stehen.
Die Versorgung der Schule mit Lebensmitteln werden wir auf jeden Fall aufrecht erhalten, so dass die Schüler, die zum Teil einen Schulweg von mehreren Kilometern haben und alle hungrig in die Schule kommen, morgens und mittags eine kleine warme Mahlzeit erhalten.
Gerne hätte ich Lehrer Philip gebeten, den Erfolg des Workshops zu beobachten, weil er der Einzige ist, mit dem ich problemlos kommunizieren kann, aber ich kann ihn nicht überfordern.
Er macht seit eineinhalb Jahren eine Zusatzqualifikation an der Uni online, bei der wir ihn unterstützen. Er arbeitet weitgehend ehrenamtlich für uns, erhält aber immer wieder eine finanzielle Zuwendung, wenn er besonderen Einsatz zeigt bzw. zeigen muss.
Das ist zur Zeit der Fall in Zusammenhang mit unseren Berufsschülern. Alle machen die Berufsausbildung nur, weil ihre Noten zu schlecht waren fürs Gymnasium. Auch bei den Schülern, die gute Abschlüsse aus der Primary School haben, beobachte ich einen drastischen Leistungsabfall in der Secondary. Es ist also absolut sinnlos, schwache Schüler dort hinzuschicken. Das Image der Secondary School ist so überragend, dass alles andere als Disqualifizierung betrachtet wird. Dementsprechend mäßig ist die Motivation für das Vocational Training an der Berufsfachschule, und unsere Zöglinge dort bereiten uns viel Kopfzerbrechen.
Ich habe jetzt entschieden, dass jeder Berufsschüler von uns ein Jahr gesponsert wird (Schulgebühr, Unterbringung und Verpflegung). In einem Jahr kann der erste Abschluss erreicht werden. Wer einen guten Abschluss erreicht, darf weitermachen und wird weiter unterstützt. Wer in mehreren Fächern durchfällt oder erst gar nicht zur Prüfung antritt (auch das gab es), muss in Zukunft für sich selbst sorgen. Wenn derjenige dann auf eigene Kosten später noch eine Prüfung ablegt, kann er sich wieder bei uns melden. Die Jugendlichen sind alle älter als 18 Jahre, und wir sind nicht ihre Lebensversicherung.
Ich denke, für jedes einzelne Kind war es ein Glücksfall, bei uns aufgenommen zu werden. Spätestens als Jugendlicher muss sie oder er diese Chance erkennen und nutzen. Andere hatten dieses Glück nicht.
Ein Lehrer, der unsere Internatsschüler in Olmoti gut und zuverlässig betreut hatte, kam mit der Bitte auf mich zu, seinen ältesten Sohn zu unterstützen. Der junge Mann bringt außergewöhnliche Schulleistungen mit sowohl von der Primary als auch von der Secondary School, beste Beurteilungen und die Zulassung zur Uni, wo er Chemie und Mathematik auf Lehramt studieren möchte. Für ein Stipendium hatte er sich erfolglos beworben, das erhalten nur Leute mit Beziehungen. Ich habe ihm unsere Unterstützung zugesagt.
Links ein Foto von der Immatrikulation, rechts Alfred stolz vor seiner Uni.
Seinen Dankesbrief füge ich Euch als Anlage bei.