Der Beginn eines neuen Schuljahres in Kenya ist jedes Mal eine Herausforderung für uns. Zunächst hatte ich mir vorgenommen, nur den Schülern die weiterführende Schule zu bezahlen, die ein Ergebnis von über 300 von 400 möglichen Punkten in der Abschlussprüfung KCPE nach der achtjährigen Grundschule erreicht haben. Es stellte sich heraus, dass in Lemong’o kein Mädchen dabei war. Deshalb habe ich die Punktzahl so weit abgesenkt, dass auch Mädchen eine Chance bekommen.
Mit den Dorfältesten wurden die Familienverhältnisse besprochen, und Philip hielt verschiedene Treffen ab mit den Eltern der achtzehn Jugendlichen, die auf unsere Förderung hofften.
Bei allen infrage kommenden Schülern waren tatsächlich keine Mittel vorhanden, um die Kinder weiter in die Schule zu schicken. Angesichts der immensen Kosten für die Einschulung ist das nicht verwunderlich. Zusätzlich zur Schulgebühr werden von den Schulen Zusatzkosten berechnet für Instandhaltung, zusätzliche Lehrer, Neubauten, Schulbusse etc., der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt. Die Eltern haben keine Wahl. Darüber hinaus müssen erhebliche Mittel aufgewendet werden für den Einzug ins Internat. Ich füge Euch mal eine Ausstattungsliste bei, damit Ihr Euch einen Eindruck verschaffen könnt.
Und das sind die Neuen in der Enkii Boys Secondary School:
In Oloitokitok Boys Secondary:
Und in St. Maria Goretti Rombo Girls Secondary zusammen mit Philip:
Zu den achtzehn Schülern, die wir ausgesucht hatten, kamen noch fünf besondere Härtefälle von besonders begabten Jugendlichen, die schon mit der Secondary School angefangen hatten, aber aufgrund fehlender Mittel nicht weitermachen konnten.
Eine Woche vor den Neulingen waren schon die „alten Hasen“ zurückgekehrt, alle neu ausgestattet mit dem, was die Schule verlangt.
Insgesamt war der Auswahl- und Einschulungsprozess so aufwändig, dass er von Philip, der ja hauptberuflich als Lehrer arbeitet, kaum zu bewältigen war. Hilfe kam durch eine liebe Unterstützerin, die den Kontakt herstellte zu dem kenyanischen Team, das für Lufthansa in Nairobi bereits eine sogenannte „Impact Week“ organisiert hatte. Überall auf der Welt soll durch dieses Projekt Entwicklung in den Schwellenländern gefördert werden. Nach ausführlichen Telefonkonferenzen hat sich Dr. Roseneed Kamica bereit erklärt, unser Projekt zu begleiten, die vielversprechenden Ansätze aus der Innovation Week auszubauen und vor allem, unsere Secondary Schüler zu betreuen. Sie arbeitet als Mentorin und Coach und unterrichtet an der Africa Nazarene University in Nairobi.
Ende Januar war sie mit ihrem Kollegen Dr. John Ngila vor Ort, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Die Beiden haben unsere Schüler in den verschiedenen Schulen besucht und auch im Dorf ausführliche Gespräche geführt. Philip hat sie begleitet.
Anfang März haben wir uns in Nairobi getroffen. Einen schriftlichen Bericht hatte ich von Kamica schon vorab bekommen, aber auch die Hintergrundinformationen, die beide vor Ort gesammelt haben, war für mich sehr interessant und haben mir einige neue Erkenntnisse vermittelt. Kamica begleitete unsere Gruppe dann nach Lemong’o. Unterwegs füllten wir unseren Kofferraum mit Früchten als Gastgeschenk für die Familien im Dorf.
Wieder einmal wurden wir aufs herzlichste begrüßt und mit vielen Reden und Geschenken geehrt.
Sehr beeindruckt war ich von der Rede Naipantis, die als kleines Mädchen in unsere Obhut kam und als Erste erfolgreich die Secondary School abgeschlossen hat.
Nach unserer Verabschiedung kehrt Ruhe ein ins Dorf, die Kühe werden nach Hause getrieben.
Für den nächsten Tag hatten wir uns vorgenommen, unsere Jugendlichen in den Internaten zu besuchen. Leider hat die Zeit nicht für alle gereicht. Auch wenn die Entfernungen in km überschaubar sind, spotten die Straßenverhältnisse jeder Beschreibung und machen jede Fahrt zum Abenteuer.
Ich habe zwar schon mehrmals die Verhaltensregeln von den einzelnen Schulen gelesen, welche von den Schülern eingehalten werden müssen, aber auf so viel Disziplin war ich nicht vorbereitet. Verständlich, dass wir unsere Schüler nur in den Pausen sehen durften, aber sie schienen mir alle so verschüchtert, dass sie kaum wagten, ihren Namen zu nennen. Ich bin sehr dankbar, dass Kamica zugesagt hat, sich um die Jungs und Mädchen zu kümmern und ihr Selbstbewusstsein etwas aufzubauen.
Essensausgabe
Essensausgabe
Eine Ausnahme war David Lesinko, der aus dem Stand und völlig unvorbereitet eine Rede hielt, die jeden Motivationscoach begeistert hätte. Er fällt schon von Anfang an durch besonders gute Leistungen auf und möchte Neurochirurg werden, was durchaus im Bereich des Möglichen liegt, wenn man wie er eine Eins in Physik und Biologie hat. Offenbar liegen seine Qualitäten auch im zwischenmenschlichen Bereich, denn er ist Schulsprecher für über 800 Schüler.
Erstmals hatte ich die Möglichkeit, mir ein Bild zu verschaffen vom Schulalltag in den Secondary Schools, in denen alle unsere Schüler viele Wochen im Jahr leben. Was ich dort gesehen und erlebt habe, hat mich sehr nachdenklich gemacht. In Kenya wurde das strenge englische Schulsystem übernommen und beibehalten. Der Schulbetrieb hat mich eher an den Drill in einer Kaserne erinnert als an eine Schule, wie wir sie kennen. Ich hatte den Eindruck, dass die Schüler teilweise ziemlich verunsichert und sogar orientierungslos sind und eigentlich Motivation und Unterstützung bräuchten, um ihr Potential voll auszuschöpfen.
Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich in der vergangenen Woche die Nachricht bekam, dass alle Jungen, die in diesem Jahr in der Eliteschule Oloitokitok Boys angefangen haben, das erste Term mit Eins oder Eins minus abgeschlossen haben. So gute Ergebnisse hatten wir noch nie. Ich bin jetzt froh, dass wir keinen der guten Schüler abgewiesen haben, auch wenn mir das im Hinblick auf die große Zahl und die damit eingegangene Verpflichtung für die kommenden Jahre schlaflose Nächte bereitet hat.
Es gibt immer wieder Grund zur Hoffnung und Motivation zum Weitermachen!