Was 2014 mit vier Kindern begann, hat sich Jahr für Jahr weiter entwickelt. Jahr für Jahr habe ich die Familien in Lemong’o besucht und von ihren Freuden, aber auch von ihren Problemen und Nöten erfahren.
Immer wieder wurden mir Kinder vorgestellt, deren Notlage meine Hilfe erforderlich machte, damit sie das tun können, was sie sich brennend wünschen und was für unsere Kinder selbstverständlich, manchmal gar lästige Pflicht ist: In die Schule gehen.
Es stellte sich heraus, dass fast alle Kinder morgens hungrig in die Schule kommen. Wir sorgen dafür, dass sie an ihrem Schultag zwei Mahlzeiten bekommen.
Die Lemong’o Primary School hatte anfangs nur fünf Klassen. Das englische Schulsystem, das in Kenya gilt, sieht aber acht Klassen vor. So meldeten wir die Kinder ab der 6. Klasse in einem Internat an. Der Weg dorthin führt durch wildreiches Gebiet, Begegnungen mit Löwen und Elefanten sind keine Seltenheit. Deshalb haben wir einen Fahrer organisiert, der die Kinder dorthin transportiert und wieder abholt.
Im letzten Jahr hat die Erste von „unseren“ Kindern, Naipanti, einen guten Abschluss der 8. Klasse erreicht und darf ihrem Wunsch entsprechend in die Secondary School gehen, die unserem Gymnasium entspricht.
Eine junge Frau mit hervorragendem Abschluss der Secondary School hatte den sehnlichen Wunsch nach einer Berufsausbildung. Ihr Mann war einverstanden, nur die Finanzierung stand im Weg. Wir unterstützen sie in der Hoffnung, dass sie nach ihrer medizinischen Grundausbildung ins Dorf zurückkehrt, wo ihre Kenntnisse dringend benötigt werden.
Ein kleiner Junge, Risie, hatte so massive gesundheitliche Probleme, dass er nicht mehr in die Schule gehen konnte, weil er jeden Tag ohnmächtig wurde. Erst beim dritten Krankenhausbesuch in Mombasa wurde festgestellt, dass der Junge total unterernährt war. In der Familie mit sieben Kindern steht nur der übliche Maisbrei zur Verfügung, gegen den er eine Allergie hat. Ich habe ihn in einem privaten Internat untergebracht, wo man mir zugesichert hat, dass es die Nahrung erhält, die sein geschwächter Körper braucht. Damit er sich nicht so einsam fühlt, habe ich seinen besten Freund mit angemeldet, der mir schon immer durch besonders gute Leistungen auffiel.
Um zu einem Internat zugelassen zu werden, muss ein Kind nicht nur Schulsachen und Schuluniform mitbringen, sondern auch alles andere, was zum täglichen Leben gebraucht wird. Vom Essgeschirr, der vorgeschriebenen Kleidung über Waschpulver und Sanitärartikel bis zur Matratze muss eine lange Einkaufsliste abgearbeitet werden. Die meisten dieser Dinge haben die Kinder bis dahin noch nie besessen. Abgesehen von den Kosten für die Schule, sind das alles zusätzliche Ausgaben, die sich eine normale Familie niemals leisten kann, nicht für ein Kind, geschweige denn für mehrere.
Mir war von Anfang an klar, dass es unmöglich ist, einem Kind die Möglichkeit zum Weiterlernen zu entziehen, und ich war auch bereit, diese Kosten zu tragen. Meine Mitreisenden, die mit mir vor Ort waren, liebe Freunde und Bekannte und meine ehemaligen Mitarbeiter haben mich finanziell unterstützt, so dass wir jetzt 35 Kinder in acht verschiedenen Schulen betreuen.
Die Kinder haben meine Zusicherung, dass sie schulisch so weit gehen dürfen, wie sie können und wollen. Das heißt, dass deutlich höhere Kosten auf mich zukommen, wenn die Jugendlichen weiterführende Schulen, d.h. Internate besuchen.
Gute Freunde, die schon mit mir in Afrika waren und die Situation vor Ort kennen, haben mich bestärkt, einen Verein zu gründen, um unser Anliegen nach außen zu tragen und mehr Hilfe bieten zu können.
So habe ich im Oktober 2019 mit neun Freunden, die alle schon mit mir auf Safari waren und die Kinder und ihre Familien kennen, den Verein Lemong’o e.V. gegründet, eingetragen beim Registergericht Darmstadt. Im März 2020 wurde die Gemeinnützigkeit vom Finanzamt Bensheim anerkannt.
Claudia Raven
1. Vorsitzende