Update Lemong’o September 2022
Unsere vorrangige Aufgabe ist weiterhin die Versorgung der Dorfbewohner, vor allem der Kinder, mit Essen. Das Nutzvieh verhungert und verdurstet, es gibt kein Einkommen, und die Lebensmittelpreise steigen ins Unermessliche. Die Menschen können aus eigener Kraft nicht überleben. Sowohl die Dorfbewohner als auch die Schule erhalten von uns regelmäßig im monatlichen Abstand Lebensmittellieferungen. Getreide ist nicht nur extrem teuer, sondern auch knapp, und wir müssen inzwischen Vorbestellungen aufgeben, um Mais zu erhalten.
Lieferungen im Juni für die Schule und das Dorf. Die alleinerziehenden Mütter erhielten eine Extraration für ihre dünnen Kinderchen.
Am 11. Juli fing das neue Term an. Kasaine, Leyian, Risie, Musenji, Naipanti und ihre Schwester Anah sind bereit zur Abfahrt ins Internat
Nachdem im Juli die Schule ihr Essen erhalten hatte, gestaltete sich die Lieferung ins Dorf kompliziert. Das Auto hatte eine Panne und musste unterwegs einmal ent- und wieder beladen werden.
Das sind die Kosten für eine Lieferung: 300.680 KES, das entspricht ca. 2.600 Euro.
Die Augustlieferung:
Im August stand wieder eine Reise nach Kenya auf dem Programm. Unsere Mitreisenden Katrin und Marcus hatten mir ein Gepäckstück zur Verfügung gestellt, das ich mit Hilfe von Martina und Ruth schnell füllen konnte. Für jedes unserer 25 Patenkinder war ein Päckchen vorbereitet.
Außerdem im Gepäck hatten wir die gesammelten Smartphones. Ein Mobiltelefon ist des Kenyaners höchstes Gut. Das Funknetz ist hervorragend, selbst in entlegenen Gegenden. Es ist die einzige Art, über Entfernungen zu kommunizieren und Geldgeschäfte zu tätigen. So gut wie niemand hat eine Adresse, ein Bankkonto, ein Festnetztelefon oder gar ein Fahrzeug, um von einem Ort zum anderen zu kommen. In den weiterführenden Schulen sind Handys streng verboten, aber in der Berufsschule werden sie verlangt zur Unterstützung der Weiterbildung.
Unser Abflug eine Woche nach der Präsidentenwahl hatte mir etwas Bauchweh beschert, da es bisher nach den Wahlen häufig zu Ausschreitungen kam.
Vor der Wahl am 9. August wurden alle Schüler nach Hause geschickt und ihre Rückkehr in die Schule mehrfach verschoben. Es dauerte eine ganze Woche, bevor die Stimmen ausgezählt waren. Das Kopf- an Kopfrennen der beiden wichtigsten Kandidaten konnte man online mitverfolgen. Nachdem schließlich William Ruto zum Sieger ausgerufen wurde, legten einige Mitglieder des Wahlausschusses Einspruch ein, der unterlegene Kandidat Raila Odinga ging vor dem Supreme Court of Kenya gegen die Auszählung der Wahl vor. Der oberste Gerichtshof wies jedoch einstimmig die Einwände gegen die offiziellen Ergebnisse ab und bestätigte den Wahlsieg William Rutos. Erstmalig blieb Gott sei Dank alles ruhig, vielleicht gerade, weil die endgültige Entscheidung durch den Einspruch nochmal um drei Wochen vertagt wurde. Offenbar haben die Kenyaner genug von den Auseinandersetzungen und haben begriffen, dass es Wichtigeres gibt, als sich wegen der Wahlergebnisse die Köpfe einzuschlagen.
Auf der Fahrt von Nairobi nach Lemong‘o hatten wir in der Kleinstadt Emali sämtliche Säfte im Supermarkt aufgekauft und unsere Autos vollgefüllt mit Obst als vitaminreichen Zusatz zum täglichen Maisbrei.
In Kimana trafen wir Mary Ponni, die junge Frau, der wir seit längerem eine medizinische Ausbildung finanzieren. Ich wollte sie endlich kennen lernen. Mit großem Erstaunen habe ich erfahren, dass sie bereits drei Kinder hat, die während ihrer Abwesenheit von der Schwiegermutter betreut werden. Ihre Mission ist es, den Massaifrauen zu beweisen, was eine Frau auch hier erreichen kann, wenn sie es nur wirklich will. Sie sieht sich als eine Art Botschafterin für die Anliegen der Frauen und möchte, wenn sie ihre Ausbildung beendet hat, als Beraterin in allen Gesundheits- und Hygienefragen tätig sein.
Die letzte Etappe unserer Fahrt war ein Horrortrip. Es hat in der Umgebung von Lemong‘o seit Mai 2021, also mehr als ein Jahr nicht geregnet. Die Straße bestand nur noch aus sandigen Spuren und Schlaglöchern, die in den Staubwolken, die wir mit unseren Landrovern aufwirbelten, kaum zu erkennen waren. Soweit das Auge reicht, ist alles mit einer zentimeterdicken Schicht von grau-braunem Staub bedeckt.
Im Dorf wurden wir wieder sehr herzlich empfangen und mit vielen Ansprachen und Gebeten geehrt.
Alle freuten sich über die mitgebrachten Geschenke. Dorf und Schule erhielten je eine Hälfte
Bei den Kleinsten waren wieder Gummibärchen und Stifte der Hit.
Unsere Patenkinder von links nach rechts: Lolari, Mariah, Kisota, Lesinko
Bei den Schülern war natürlich die Weiterbildung ein Thema. Leider konnte ich nicht mit den jungen Leuten sprechen, die in den weiterführenden Schulen im Internat sind. Sie alle machen sich befriedigend bis sehr gut. Vor allem die drei hochbegabten Jungs, die wir neu aufgenommen haben aufgrund ihrer hervorragenden Abschlussprüfung, sind offenbar sehr erfolgreich. David Lesinko wurde zum Vorsteher seines Schlafsaals (Dormitory prefect) ernannt, und Parsanka erhielt eine Auszeichnung als diszipliniertester Schüler (the most disciplined boy) seiner Schule.
Rose, die junge Mutter, hatte sich erfreulicherweise entschieden, eine Ausbildung als Schneiderin zu machen. Mein Gedanke dabei war, dass wir ihr nach Abschluss der Ausbildung eine Nähmaschine kaufen können, so dass sie von zu Hause arbeiten und sich gleichzeitig um ihr Söhnchen kümmern kann.
Weiterhin problematisch war das Gespräch mit den beiden Mädels, denen ich wegen schlechter Schulleistungen die Weiterbildung im Gymnasium verweigert habe. Sie hatten mit ihrer Entscheidung, eine Berufsausbildung zu beginnen, so lange gezögert, bis die Boarding-Plätze in der Berufsschule vergeben waren und dachten wohl, sie könnten mich noch umstimmen. Da es so viele Schüler gibt, die weitaus bessere Leistungen gebracht haben, fand ich es ungerecht, den Beiden ihre Wünsche zu erfüllen, nur weil wir sie seit Jahren fördern. Nachdem ich ihnen das unmissverständlich klar gemacht habe, dass die Alternative zu einer Berufsausbildung die ist, dass sie zu Hause bleiben, hat sich Naimutie für den Bereich „Food and beverage“ entschlossen, was ich im Hinblick auf die zahlreichen Lodges in und um den Amboseli für vernünftig halte. Sie kann sich dann auf zahlreiche Bereiche in Küche oder Service spezialisieren. Kurat hat mich letztlich überrascht mit ihrer Entscheidung „Electrical engineering“ zu lernen. Ursprünglich hatte sie mit „Beauty“ geliebäugelt, aber ich denke „Elektriker“ ist etwas Handfestes, was immer gebraucht wird. Zur Zeit allerdings noch nicht in Lemong’o, da gibt es keinen Strom, aber so wie ich sie einschätze, sieht sie ihre Zukunft auch nicht im Dorf.
Von links: Leshan, Kurat, Naimutie und Rose
So sind die drei Mädels Anfang September in ihr neues Leben in Kajiado gestartet, immerhin knapp 200km von ihrem Heimatdorf entfernt, aber in männlicher Begleitung von Leshan, der dort seine Ausbildung zum Automechaniker fortführt und die Mädels etwas beschützen soll. Das Masai Technical Institute in Kajiado hat einen sehr guten Ruf und bietet auch Möglichkeiten für das Praktikum, was in Namelok, der Berufsschule, in der Leshan angefangen hat, nicht der Fall war. Die Schüler für ein Praktikum unterzubringen, hat sich als sehr kompliziert erwiesen, da sie dann selbst für ihre Unterkunft und Verpflegung verantwortlich sind, was ich den Mädels nicht zumuten möchte, zumindest, solange sie in unserer Obhut sind.
Ich hoffe nun, dass alle vier Berufsschüler das Beste aus ihrer Ausbildung machen. Sie dauert zwar nicht so lange wie die Secondary School, ist aber deutlich teurer, zumindest da, wo sie jetzt eingeschult wurden. Es ist aber davon auszugehen, dass sie dort ein Maximum an Schulung und zumindest ein Minimum an Betreuung erhalten, da es die beste Berufsschule in weitem Umkreis sein soll.
Auch für die übrigen Schüler endeten diese Woche die Ferien, und ein neues Term beginnt. Für sechs unserer Schüler ist es der letzte Abschnitt vor der wichtigen Abschlussprüfung KCPE, mit der die achtjährige Primary School endet. Ich hoffe und wünsche, dass alle gesund bleiben und erfolgreich sind.