Update Oktober 2021
Mein erster Besuch in Lemong’o nach mehr als eineinhalb Jahren mit einer kleinen Gruppe von hochmotivierten Mitgliedern war ein Ereignis für das Dorf und auch für uns. Man bereitete uns einen triumphalen Empfang. Alle Kinder und Eltern hatten sich in festlicher Kleidung versammelt und kamen uns singend entgegen, um uns zu begrüßen. Es war eine große Herzlichkeit zu spüren und ehrliche Freude über das Wiedersehen.
Die Empfangszeremonie war eindrucksvoll und sehr berührend. Sprecher verschiedener Gruppierungen hielten Ansprachen, auch der Dorfälteste, der sonst seine Hütte nicht mehr verlässt und uns zu Ehren eine Ausnahme machte.
In den Ritualen, die abgehalten wurden, mischten sich christliche Elemente mit traditionellen Abläufen. Lange und andächtige Gebete wurden gesprochen, deren Inhalt wir nicht verstanden haben, aber Tenor war, dass Gottes Hilfe durch uns zu den Menschen im Dorf gekommen ist und sie vor Hunger und Krankheit bewahrt hat. Es waren sehr ergreifende Minuten.
Mit großer Freude wurden die Geschenke angenommen, die meine Mitreisenden von Deutschland mitgebracht hatten. Unter Verzicht auf persönliches Reisegepäck waren die Taschen voll beladen mit Dingen, die den Kindern Freude machen.
Stolz wurden wir zum Wasserhäuschen geführt, auf dem in großen Buchstaben unser Logo prangt. Es ist auch für uns eine große Freude zu sehen, dass sauberes Wasser jetzt für alle zur Verfügung steht. Wir sind stolz auf dieses Projekt, zu dem alle gemeinsam beigetragen haben. Es wurde uns berichtet, dass niemand mehr Magen-Darm-Probleme hat, seit das Trinkwasser sauber ist.
Wir hatten unseren Besuch extra in die Schulferien gelegt, um Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch mit allen unseren Schützlingen zu haben. Die Eltern waren auch dabei.
Die meisten Kinder haben sich gut bis sehr gut entwickelt, es gibt aber auch Problemfälle.
Einer davon ist Ntukai, ein Junge, der mir schon immer irgendwie unglücklich und verschlossen vorkam und sehr schwache Schulleistungen zeigte. Im Sport war er allerdings immer ein As. Er ist im Frühjahr von zu Hause weggelaufen und wollte sich als Hütejunge durchschlagen. Das ist wohl gründlich schief gegangen. Er kam nach einem guten halben Jahr zurück und ist in einem erbärmlichen Zustand. Außerdem klagt er über Schmerzen in den Hüften. Ich bot ihm an, ihm den weiteren Schulbesuch zu finanzieren vor allem mit dem Hintergedanken, dass er dann regelmäßig täglich zwei Mahlzeiten erhält. Er hat von meinem Angebot Gebrauch gemacht und ist in die Schule zurückgekehrt, hat aber da schon mehrere Ohnmachtsanfälle erlitten. Nach meinen Erfahrungen mit Risie vermute ich, dass er komplett unterernährt ist.
Eine Freundin hat mir vor Ort ein Aufbaupräparat besorgt, das vergangene Woche an die Schule in Lemong’o ausgeliefert wurde, um den besonders bedürftigen Kindern etwas auf die Beine zu helfen.
Auch bei Kisota Meitamei, einem unserer Neuzugänge, fiel mir ein bemitleidenswerter körperlicher Zustand auf. Er und seine alleinerziehende Mutter kommen ebenfalls in den Genuss des „Wunderpulvers“. Philip und ich überlegen, wie wir in diesem Fall darüber hinaus und vor allem langfristig sinnvoll helfen können.
Prächtig entwickelt hat sich dagegen Risie, der so lange unser Sorgenkind war. Er besucht inzwischen mit drei anderen Jugendlichen aus Lemong’o das private Internat Reto. Dort waren wir bei unserer Ankunft vom Inhaber und Initiator eingeladen und konnten uns vom hervorragenden Zustand dieser Boarding School überzeugen, die naturgemäß auch einen stolzen Preis hat. Kein Wunder, dass bei unseren Einzelgesprächen mehrere Kinder den Wunsch äußerten, auch dorthin übersiedeln zu dürfen. Allerdings bin ich der Meinung, dass ein Kind, das ein gefestigtes Elternhaus hat und in gutem gesundheitlichen Zustand ist, in der Lemong’o Schule bestens aufgehoben ist.
Risie ist wieder ein gesunder und fröhlicher Junge und ist unglaublich gewachsen. Seine Dankbarkeit und die seiner Eltern hat mich sehr gerührt. Seine Mutter hat mich mit einem Armband und einer Kette überrascht, die sie individuell als Geschenk für mich hergestellt hat.
Große Dankbarkeit erfuhren wir auch von David Lesinko und seinen Eltern. Ihn hatten wir vor Kurzem noch in unserem Kreis aufgenommen, weil er einen hervorragenden Abschluss der 8. Klasse erzielt hat. Seinen Eltern war es nicht möglich, ihm den Besuch der Secondary School zu finanzieren.
Parsanka, den wir aus dem gleichen Grund aufgenommen haben, konnte leider nicht kommen, da er sehr weit entfernt wohnt und gerade den Arm gebrochen hatte. Wir werden ihn hoffentlich beim nächsten Besuch persönlich kennenlernen.
Die Jugendlichen, die jetzt ihre weiterführende Laufbahn begonnen haben, waren alle sehr optimistisch und guter Dinge. Bei den Berufszielen steht Ingenieur ganz oben auf der Liste, aber wir haben auch zwei zukünftige Neurochirurgen dabei!!!
Die Ernährungssituation ist weiterhin angespannt. Die Trockenheit ist nicht zu übersehen. Aufgrund der Dürre geben die Tiere wenig Milch und müssen zeitweise so weit von zu Hause geweidet werden, dass sie abends nicht in die Manyatta zurückkehren können, so dass dann gar keine Milch zur Verfügung steht.
Im September haben wir Lebensmittel sowohl an das Dorf als auch an die Schule liefern lassen. Vergangene Woche bekamen die Menschen in Lemong’o eine weitere Lieferung. Für die besonders bedürftigen Kinder haben wir noch eine Extraration gepackt mit Weizenmehl und Zucker zum Süßen des Lieblingsgetränks Tee mit Milch.
Zusammen mit Philip überlege ich zur Zeit, ob es eine Möglichkeit gibt, irgendeine Einnahmequelle zu erschließen, die der Abhängigkeit von unseren Lebensmittellieferungen ein Ende bereitet. Den Stein der Weisen haben wir noch nicht gefunden.